Das neue Wohngebiet an der Nordkirchener Straße heißt "Strontianitfeld". Mit der Namensgebung und diesem Artikel wollen wir einige der wirtschaftlich turbulentesten Jahre Ottmarsbocholts im Bewusstsein der Bevölkerung für die Zukunft erhalten:
"Dat is jä Strunz" soll ein Knecht des Bauern Bracht beim Pflügen eines Ackers ausgerufen haben, als er unter seiner Pflugschar ein knirschendes Stück milchiges Mineral, was im Volksmund auch als "Silbersteine" bezeichnet wurde, fand.
Strontianit ist ein selten vorkommendes Mineral. Sein Vorkommen wurde zuerst im Zusammenhang mit dem Bleierzabbau in Schottland bekannt. Seinen Namen hat es vom ersten Fundort, dem Dorf Strontexttian, an der Westküste Schottlands gelegen, erhalten.
Strontianit ist ein kohlensaures Strontium (SrCO3). Es ist ein durchsichtiges bis durchscheinendes Mineral von meist weißer, grauer, rötlicher oder grünlicher Farbe.
Bedeutsame Fundorte Ende des 19. Jahrhunderts lagen in Deutschland, Österreich und Nordamerika. Das Strontianit-Vorkommen im Münsterland ist bislang das einzige in der Welt geblieben, wo es in solcher Menge und Beschaffenheit auftrat, dass es für den Bergbau in Frage kam und bergmännisch gewonnen werden konnte.
Strontianit hat vielerlei Verwendung gefunden. In pharmazeutischen Laboratorien und der Feuerwerksindustrie wurde es eingesetzt. In der Stahlindustrie wurde Strontianit verwandt um eine bessere Entschwefelung des Stahles zu erreichen und in der Glasindustrie fand es Verwendung. Die größte Menge wurde aber ab 1871 in der Zuckergewinnung gebraucht, um Zucker aus der Melasse zu gewinnen.
Melasse enthält ca. 48 bis 50 % Zucker. "Durch Kristallisation ist aus Melasse der Zucker nicht mehr zu gewinnen. Durch die Zusetzung von Strontianit, dass für die Zuckergewinnung vorerst einen chemischen Prozess durchmacht, findet aus der konzentrierten Melasselösung eine Ausscheidung des Zuckergehaltes bis zu 99 % statt." So Dr. Heinrich Böhmer im Heimatkalender des Kreises Lüdinghausen von 1929.
Mit der Entwicklung des Strontianitabbaus erlebte der alte Kreis Lüdinghausen, besonders die Region Drensteinfurt, Ascheberg und Ottmarsbocholt eine wirtschaftliche Blüte. In Ottmarsbocholt wurde ab ca. 1880 mit Bohrungen und dem Bau von Schächten begonnen. Sie erreichten eine Tiefe von ca. 60 bis 80 und manchmal mehr Metern. Die Ganglängen lagen zwischen einigen hundert Metern und ein bis zwei Kilometern. Ottmarsbocholt lag während der Zeit des Strontianitabbaus im Mittelpunkt des Geschehens. Eine Kölner- und eine Berliner-Gesellschaft betrieben mit ihren Ingenieuren und Arbeitern aus dem Aachener Raum und Mitteldeutschland die Gruben. Auch viele Einheimische fanden eine gut bezahlte Arbeit als Fuhrleute, Waldarbeiter, Schreiner, im Sägereibetrieb und auch im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe. Nach den vorliegenden Tabellen wurden auf der Grube "Elise" auf Grund und Boden von Schulte-Vorwick von 1883 bis 1896 35.000 t und auf der Grube "Anton" bei Bracht 3.000 t von 1907 bis 1911 und während des Ersten Weltkrieges von 1914 bis 1919 gefördert. In den Jahren 1882 bis 1884 waren über 500 Arbeiter durch die Kölner Gesellschaft in den verschiedensten Gewerken beschäftigt. Die Intensität des Abbaus in Ottmarsbocholt ist auf die tiefen Abbausohlen und die Reinheit des Strontianitvorkommens zurückzuführen.