Wertvolle gotische Turmmonstranz gelangte 1652 nach St. Urban
Sakraler Glanz für die geplünderte St. Urbankirche
Im Rahmen der Ausstellung „Goldene Pracht“ ist zurzeit auch eine barocke Turmmonstranz aus St. Urban im Landesmuseum in Münster zu sehen. Der sakrale Kunstgegenstand gelangte kurz nach dem Westfälischen Frieden aus Lünen nach Ottmarsbocholt.
Die barocke Turmmonstranz von St. Urban ist ein Schmuckstücke, der Ausstellung „Goldene Pracht“, die noch bis zum 28. Mai im Landesmuseum in Münster zu sehen ist (WN berichteten). Gemeinsam mit einigen anderen Altargeräte gelangte die Monstranz 1652 von Lünen nach Ottmarsbocholt. Der ehemalige Bischöfliche Diözesan-Archivar Dr. Peter Löffler hat Anfang der 1980er Jahre die Geschichte dieser Sakralgegenstände recherchiert und für die Ottmarsbocholter „Geschichte und Geschichten“ zusammengefasste. Diese Schriftenreihe wurde zwölf Jahre lang von einigen Ottmarsbocholter um Klemens Rave und Benno Schülting herausgegeben.
Im Folgenden auszugsweise der Artikel von Dr. Peter Löffler:
Vier Jahre nach dem Westfälischen Frieden von 1648 gelingt es Pastor Johann Schwidde, für die ausgeplünderte Pfarrkirche eine vollständige Altargerätschaft von Monstranz, Kelch, Weihrauchfass und Messgewändern zur würdigen Feier des Gottesdienstes aus der märkischen Stadt Lünen an der Lippe anzukaufen.
Mehrfach hatten im Dreißigjährigen Kriege wilde Soldatenhorden das Dorf Ottmarsbocholt, Kirche und Bewohner, ausgepresst und aller Kostbarkeiten und Habe beraubt, so dass ein geordneter Gottesdienst unmöglich war.
Als Pastor Schwidde sein Amt antrat, stand er vor der schwierigen Aufgabe, die Pfarrkirche wieder mit den nötigsten Gerätschaften zu versehen. Aus den Kircheneinkünften war nichts zu erwarten. Diese blieben wegen der erbärmlichen Lage der Kirchspiel-Eingesessenen entweder ganz aus oder fielen nur spärlich an. Woher sollte man auch in den ersten Nachkriegsjahren Geräte und Gewänder bekommen, ohne gleich hohe Summen Geldes dafür zu bezahlen?
Da kam dem Pastor ein glücklicher Zufall zu Hilfe. In der Pfingstwoche 1652 erfuhr Schwidde, dass in Lünen „einige Kirchensachen zu kauffen weren.” Ohne zu zögern, machte er sich mit dem Provisor Johann Neu-haus auf den Weg, um die angebotenen Sachen in Augenschein zu nehmen. Die Reise dauerte drei Tage. Wegen Abwesenheit des Altbürgermeisters Hone mussten sie in Lünen einen Tag warten, da ohne Zustimmung der Bürgermeister die Stücke nicht verkauft werden durften. An Reisekosten notiert die Kirchenrechnung 4 Reichstaler (Rtlr.) und 21 Schilling.
Pastor Schwidde und Provisor Neuhaus fanden die Geräte passend und machten sofort den Ankauf fest: eine Monstranz, ein Ciborium, ein Kelch mit Patene, ein Weihrauchfass, drei Alben, drei Messgewänder, zwei Chormäntel, eine Chorkappe, alles in goldenen, silbernen und sei-denen Farben und Stoffen. Als Kaufpreis forderten die Lüner 100 Rtlr, und 21 Schilling.
Für die evangelische Stadtkirche St. Georg in Lünen waren die genannten Geräte und Gewänder entbehrlich geworden. Unter der Regierung des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, seit 1640 hatte in seinen Territorien der strenge, nüchterne Calvinismus Eingang gefunden, der auch dem evangelischen Gottesdienst seinen Stempel aufdrückte. In der Grafschaft Mark mit der Stadt Lünen, die seit 1618 zu Brandenburg gehörte, feierte man bis gegen 1650 in den evangelischen Kirchen noch weitgehend nach althergebrachtem, katholischem Ritus mit Geräten und Gewändern. Erst unter dem Großen Kurfürsten wurde solcher Gebrauch als „abergläubisch und papistisch” untersagt.
Um die stattliche Summe von 100 Rtlr. beisammen zu bekommen, veranstaltete der Pastor eine Kollekte im gesamten Kirchspiel. Zunächst aber machte er sich in Begleitung der Provisoren Neuhaus und Drißmann zu Fuß nach Münster auf zwecks einer Geldanleihe von 35 Rtlr. Diese Summe bildete gewissermaßen die Anzahlung in Lünen, da die geforderten 100 Rtlr. nicht auf einmal beizubringen waren.
Am 30. Mai, auf Fronleichnam, begaben sich dann Pastor Schwidde, Johann Neuhaus und Johann Kordes, nach Lünen, um die Kirchengeräte abzuholen. Dabei konnten sie die Messgewänder sofort in barer Münze bezahlen. Nach dem Kauf schloss sich, wie damals allgemein üblich, ein Umtrunk mit Bürgermeister und Kirchenprovisoren im Gasthof an.
In der Fronleichnamswoche erfolgte eine Kirchspielkollekte, und zwischen dem 7. und 13. Juli klopfte Pastor Schwidde bei vermögenden Herren des Domkapitels und der Verwaltung in Münster um eine Gabe an. Die gesamte Kollekte erbrachte 114 Rtlr., 9 Schilling und 9 Pfennig. Damit konnte man sowohl das geliehene Geld in Münster zurückerstatten, als auch den Rest des Kaufpreises durch Johann Kordes am 16. Juli den Lünern aushändigen.
Durch Verschleiß und Abnutzung sind Gewänder und Geräte dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ist jedoch ein Stück aus dem Ankauf bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben: die hübsche, spätgotische Turmmonstranz, die die Visitationsprotokolle seit 1662 regelmäßig erwähnen.